Vorurteile sind die Vernunft der Narren. – Voltaire

Fact No.1_WTF

Tagtäglich beschäftigen wir uns sowohl aus Bewerber- als auch aus Unternehmenssicht mit Fragen, die Abläufe im Recruiting Prozess betreffen. Worauf legen Personaler wert, welchen Angaben wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, nach welchen Kriterien werden Kandidaten mit formal gleicher Qualifikation bewertet? Darum ist es nun an der Zeit, dieses Mysterium an Bewertungen und Bewertungsstandards einmal etwas kritischer in Augenschein zu nehmen und die gängige Rekrutierungspraxis auf den Prüfstand zu stellen: Ring frei zu Runde 1!

Da gerade in größeren Unternehmen ausgebildete Profis mit der Personalauswahl betraut werden, liegt die Vermutung nahe, dass bei der Auswahl der Kandidaten eine klare, transparente und faire Strategie verfolgt wird, um die ausgeschriebene Vakanz bestmöglich zu besetzen. Doch weit gefehlt! Schockierend, aber wahr: Diverse länderübergreifende Studien belegen, dass oft schon der falsche Name ausreicht, um als Jobanwärter nicht über die erste Bewerbungsrunde hinauszukommen. Was kann denn an einem Namen falsch sein? Warum ist die Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, für Tobias Hartmann deutlich höher als für Serkan Selzer¹? Warum sind Kristen und Brad bei formal gleicher Qualifikation attraktivere Kandidaten als Aisha und Rasheed? Während Kristen sich freuen kann, dass sie fast sechs Mal öfter zurückgerufen wird als Aisha, kann Rasheed nur traurig ins Bett gehen: In der Zeit, in der Brad fast sechs Anrufe erhält, wird das Telefon bei ihm nur einmal klingeln – leider die bittere Wahrheit.²

Ein Name, große Implikationen oder anders: Name gut, alles gut?

Wie bereits Schiller wusste „Ein hohes Kleinod ist der gute Name“ – aber was sagt eigentlich der bloße Name eines Bewerbers über diesen aus? Diese Frage wurde als eine von vielen in diversen Studien, Forschungsgruppen und in Tausenden an Testbewerbungen an die Personalabteilungen dieser Welt gestellt und die Ergebnisse sind nicht nur hochgradig interessant, sondern vor allem böse diskriminierend. In den USA dürfen die Recruiting Abteilungen besonders stolz auf sich sein:
Namen, die auf einen weißen Bewerber schließen lassen, erhalten 50% mehr positive Rückmeldungen³.
Aber keine Sorge: Zum Nachteil gereicht den Bewerbern im Zweifel nicht nur der Name. Auch die ethnische Herkunft, die Wohngegend, der Familienstand, die Religionszugehörigkeit, das Geschlecht oder die Hautfarbe verleiten Recruiter bewusst oder unbewusst dazu, vorurteilsbelastete, vorschnelle und unreflektierte Rückschlüsse auf Qualifikation und Persönlichkeitsmerkmale eines Jobanwärters zu ziehen.
In Zeiten von Internationalisierung, Globalisierung und von (vermeintlichen?) Kosmopoliten, die überall auf der Welt zu Hause zu sein wollen; in Zeiten, in denen Aufklärung, Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Werten keine Fremdwörter mehr sein sollten, werden objektive Bewertungskriterien nach wie vor schmerzlich vermisst. Zeit, dies zu ändern, wie wir finden!

Recruiting: Wie es nicht sein sollte

In der Themenreihe Recruiting: Wie es nicht sein sollte werden wir in den kommenden Wochen den Ergebnissen verschiedener Studien aus dem Bereich Human Ressources auf den Grund gehen, unsere eigenen Erfahrungen aus Crowdsourcing und Bewerbungspraxis einbringen und die Ergebnisse konkret und offen zur Diskussion stellen. Warum? Weil wir finden, dass Bewerbungsprozesse für alle Kandidaten gleichermaßen fair und transparent zu gestalten sind. Schließlich sind es nicht Vorurteile, sondern Qualifikationen und tatsächliche Fähigkeiten wie Persönlichkeitsmerkmale, die für die Produktivität eines Unternehmens ausschlaggebend sind. — To be continued —

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¹ Leo Kaas, Christian Manger: Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment, Discussion Paper Series, Konstanz 2010.
² Marianne Bertrand, Sendhil Mullainathan: Are Emily and Greg More Employable Than Lakisha and Jamal? A Field Experiment on Labor Market Discrimination, The American Economic Review, September 2004, S. 991-1013.
³ Marianne Bertrand, Sendhil Mullainathan: Are Emily and Greg More Employable Than Lakisha and Jamal? A Field Experiment on Labor Market Discrimination, The American Economic Review, September 2004, S. 991-1013.

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