Ach du liebes Vorurteil – Wenn das Aussehen zum Karrierekiller wird

Lazy Peep - Raymond Bryson - flickr.com

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Spätestens seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG), das gemeinhin auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt geworden ist, sind Arbeitgeber dazu angehalten, den Vorgaben bei der Stellenbesetzung Folge zu leisten. Allerdings zeigen zahlreiche Arbeitsmarktstudien, dass die Personalverantwortlichen Ihre Entscheidungen nicht objektiv und ohne gewisse Vorbehalte zu treffen scheinen. Auch wenn dies nicht mit böser Absicht passiert, verwundert es doch, dass sich gerade die in diesem Bereich vermeintlich gut ausgebildeten Recruiter bei der Personalauswahl von gewissen küchenpsychologischen Mechanismen blenden lassen. Leider scheint dies gar nicht so selten der Fall zu sein.

Stark übergewichtige Bewerber sind weniger leistungsfähig? – Wenn tatsächliche Fähigkeiten keine Rolle spielen

In einigen Branchen, etwa Werbung und Medien, ist es allgemein bekannt, dass es gängige Praxis ist, Bewerber, die nicht der eigenen Vorstellung von Ästhetik entsprechen, abzulehnen – ungeachtet der tatsächlichen Fähigkeiten. Allerdings scheint dieses Verfahren auch auf andere Branchen übertragbar zu sein. Eine experimentelle Studie der Universität Tübingen kommt zu dem Ergebnis, dass besonders übergewichtigen Frauen pauschal sowohl Leistungsfähigkeit als auch das Innehaben eines angesehenen Berufes, etwa eines Anwalts, Architekten oder Abteilungsleiters, abgesprochen wird. Offenbar scheint in der Wahrnehmung der Personalverantwortlichen der BMI als Indikator dafür herangezogen zu werden, was eine Person tatsächlich kann. Wer mehr Pfunde auf den Rippen hat, ist auch automatisch faul; ähnlich wie ein Bewerber mit ausländisch klingendem Namen nur über mangelnde Sprachkenntnisse verfügen kann. Interessant und so herrlich an realen Fakten orientiert.

Oberflächlich, vorurteilsbeladen, klischeehaft: Dicke sind faul und unmotiviert?

Im Rahmen des Experiments wurden 127 erfahrene Personaler befragt, die Studie im Fachjournal BMC Public Health veröffentlicht. Den Probanden wurden je sechs standardisierte Aufnahmen von Männern und Frauen vorgelegt. Pro Foto war eine Person abgebildet. Die Personen unterschieden sich im Hinblick auf das Geschlecht, den ethnischen Hintergrund und den Body Mass Index (BMI).   Zur Studie geht’s hier.

Die Personaler sollten nun Einschätzungen bezüglich des ausgeübten Berufes der Personen auf den Fotos treffen sowie erläutern, welchen Kandidaten in einem Vorstellungsgespräch um den Posten eines Abteilungsleiters in die engere Wahl kommen würden. Die Ergebnisse zeigen ohne Zweifel, dass die übergewichtigen Kandidaten deutlich schlechter bewertet wurden: Führungsqualitäten wurden ihnen nicht zugetraut, besonders den übergewichtigen Frauen nicht. Und was ist mit den inneren Werten?

Wege aus der Krise: Was mit dieser Art von Ergebnissen anfangen?

Ähnlich wie die Resultate der letzten Beiträge, zeigen diese Ergebnisse, dass es im Bereich Personalmanagement noch einiges zu tun gibt. Es kann doch nicht sein, dass gerade diejenigen, die in der Position sind, Einfluss auf die Karriere eines Dritten zu nehmen, sich bei der Auswahl von Klischees und subjektiven Vorurteilen leiten lassen. Die Devise sollte doch vielmehr lauten: weniger Diskriminierung und mehr Objektivität. Für ein gut funktionierendes, produktives und leistungsstarkes Unternehmen ist es in der Regel nicht von Bedeutung (Grauzonenbeispiele außer Acht gelassen), welche Konfektionsgröße der Mitarbeiter hat, oder was für einen Namen dieser trägt.

Viel wichtiger ist, dass die nötigen Qualifikationen und Fähigkeiten vorliegen, um einen Job gut, besser oder am besten erfüllen zu können. Warum also nicht auf antiquierte Bewerbungsprozesse verzichten und Personalentscheidungen mithilfe von objektiven Tatsachen fundieren? Warum Bewerbungen mit Namen, Geburtsjahr und Foto versehen? Wir sind uns ziemlich sicher, dass würde diese Praxis gefördert, die Personalverantwortlichen in den HR-Abteilungen öfter auch mal durchweg positiv von einem Bewerber überrascht werden würden, den sie aufgrund von subjektiven Faktoren noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen hätten. True story.

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